Damit Auschwitz nie wieder sei‘: Marburg bleibt rot!

Diese Domain gehörte jahrelang den Neonazis der Burschenschaft Germania. Wer die Seite aufrief, wurde auf deren Facebookseite umgeleitet. Wir drehen den Spieß um! – Aus einem billigen Scherz von Naziburschen machen wir ein großes Statement der Marburger Zivilgesellschaft.
Gegen jeden Faschismus und für ein weltoffenes Marburg!

Wer dieses Statement nachträglich zeichnen möchte, melde sich gerne bei uns.


Damit Auschwitz nie wieder sei‘:
Marburg bleibt rot!

Anlässlich des 75. Jahrestages der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte, der darauf folgenden Befreiung vom Nazifaschismus und dem Ende des Zweiten Weltkrieges erklären wir:

Als politische Mitbürgerinnen begreifen wir Marburg als einen Ort des vielfältigen politischen und kulturellen Austausches. Werte der Weltoffenheit und Pluralität werden hier vom aktiven Engagement der Mitbürgerinnen getragen. Großdemonstrationen gegen den Einzug einer pro-faschistischen Partei in deutsche Parlamente, gegen die Neonazis bei den Marburger Burschenschaften und auch das Bekenntnis, dass Marburg nach wie vor fähig und willens ist, Geflüchtete aufzunehmen, sind Höhepunkte dieses Selbstverständnisses.

Angesichts schreiender Ungerechtigkeiten an den europäischen Außengrenzen, angesichts der nicht erst durch die COVID19-Pandemie hervorgerufenen, gesellschaftlichen Ungleichheiten und Diskriminierungen, angesichts des Erstarkens der politischen Rechten bundes- und weltweit — angesichts all dessen, was derzeit aus aufklärerischer Perspektive dystopisch, rückwärtsgewandt und unmenschlich erscheint, bekennen wir uns zu einer antifaschistischen und weltoffenen Stadt!

Ein lebendiger, offener, demokratischer, diskriminierungsfreier und verbindender Dialog, die Möglichkeit des Anprangerns von gesellschaftlichen Missständen, ist Ausdruck einer langjährigen lebendigen Stadtkultur. In Marburg tragen viele die Bereitschaft in sich, für eine gerechtere Gesellschaft  die Stimme zu erheben und zwar nicht erst dann, wenn sie selbst betroffen sind!

Auch der Mangel einer solchen Bereitschaft zu Widersprechen hat den deutschen Faschismus erst ermöglicht. Eine Lehre aus der Geschichte des sogenannten ›Dritten Reiches‹ ist, sich immer und überall gegen rassistisches, sexistisches, homophobes, antisemitisches, antimuslimisches und anderweitig diskriminierendes Gedankengut zur Wehr zu setzen. Zudem bleibt die Erkenntnis, dass die kapitalistische Form des Wirtschaftens auf das Engste mit dessen menschenfeindlicher Politik verwoben war und eine antifaschistische Politik auch die diesem Wirtschaftssystem innewohnenden Ungleichheiten und dessen Handlungsmaximen, wie z.B dem Profitstreben, überwinden muss.

Oder anders formuliert: »Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen Aller nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund auf erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen Aller sein.«  (Ahlener Programm, Zonenausschuß der CDU für die britische Zone, Ahlen/Westfalen, 3. Februar 1947 / Änderungen kursiv)

Millionen Tote mahnen uns; all dies auf das Schärfste zu bekämpfen, denn: »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch« (B. Brecht, Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui).

Auch heute geht von Rechts konkrete Gefahr aus: Das Morden des NSU bleibt weitgehend unaufgeklärt; in unserer unmittelbaren Nachbarschaft  Hanau ermordet ein rechter Gewalttäter neun Menschen in zwei Shisha-Bars.

Am heutigen 8. Mai gedenken wir den Opfern des NS-Terrors und den Überlebenden. Gleichzeitig sprechen wir in aller Klarheit aus:

»Nie wieder Faschismus! — Nie wieder Krieg!«

»Marburg bleibt antifaschistisch! — Marburg bleibt rot!«

Wir stellen klar:

  1. In Marburg gibt es keinen Platz für Faschisten!

    Nicht nur prominente Vertreter der Neuen Rechten, wie die hiesigen rechten Burschenschaften, Identitäre Bewegung oder AfD: In Marburg werden keine Faschisten geduldet!

    Viel zu wenig Beachtung findet, dass erst durch ehrenamtliches Engagement rechte Strukturen aufgedeckt werden. Diese Arbeit aktiv zu unterstützen, ist unser aller Verpflichtung. Wir kämpfen dabei stets auf vielfältige, bunte Weise an der Seite all derer, die für und mit uns am Stammtisch oder im Hörsaal, öffentlich oder privat, politische Diskurse stets kritisch begleiten. Wir kämpfen zusammen mit denjenigen, die sich auf den Straßen und Plätzen unserer Stadt, ob auf Demonstrationen oder Kundgebungen auf ihre eigene Art und Weise alles in ihrer Macht Stehende tun, um Faschisten und ihrem Gedankengut in dieser Stadt keinen Platz einzuräumen.

    In der Überzeugung, dass Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist, lassen wir uns dabei nicht spalten!

  2. Die europäischen Außengrenzen müssen geöffnet werden!

    Vor der humanitär unerträglichen Situation auf den griechischen Inseln verschließt die mehrheitliche politische Stadtöffentlichkeit Marburgs nicht die Augen und fordert die sofortige Durchsetzung des Völkerrechts und eine dezentrale Verteilung. Marburg hat Kapazitäten, Marburg hat Platz!

    Die Abschottungspolitik von Bundesregierung und europäischer Kommission verwehrt jenen, aufgrund ihrer Herkunft ein menschenwürdiges Leben, die vor Krieg, Hunger und anderem Leid fliehen – sie ist rassistisch und tötet durch Nichtstun Menschen! Deutsches militärisches Agieren, deutsche Waffenexporte sowie die wirtschaftliche und soziale Ausbeutung des globalen und europäischen Südens durch deutsche Konzerne tragen hieran erhebliche Verantwortung.

  3. Der Tag der Befreiung muss gesetzlicher Feiertag werden!

    Um dem Gedenken angemessen gerecht zu werden, muss der Tag der Befreiung endlich gesetzlicher Feiertag werden. 75 Jahre ›deutsche Tradition‹, die deutsche Schuldfrage zur Randnotiz verkommen zu lassen, setzt sich derweil auch in Hessen fort. Wir unterstützen diese Forderung von Esther Bejarano, Überlebende des KZ’s Auschwitz-Birkenau!